| Baurecht

Unwirksamkeit einer vom Auftraggeber formularmäßig verwendeten Vertragsstrafenklausel bei einem Einheitspreisvertrag

Nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 23.01.2003 - VII ZR 210/01) benachteiligt eine in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Auftraggebers enthaltene Vertragsstrafenklausel in einem Bauvertrag den Auftragnehmer unangemessen, wenn sie eine Höchstgrenze von über 5 % der Auftragssumme vorsieht. Wird in einem Einheitspreisvertrag formularmäßig eine Vertragsstrafe in Höhe von 5% der Auftragssumme vereinbart, benachteiligt dies trotz Einhaltung dieser Höchstgrenze den Auftragnehmer unangemessen (BGH, Urteil vom 15.02.2024 – VII ZR 42/22). Denn bei einem Einheitspreisvertrag kann die tatsächliche Abrechnungssumme hinter der ursprünglichen Auftragssumme zurückbleiben, sodass dem Auftragnehmer ein Verlust von mehr als 5 % seines Vergütungsanspruches droht.

 

Sachverhalt

 

Die Klägerin gab im Rahmen einer auf Einheitspreisen basierenden Ausschreibung der Beklagten über Leistungen zur Erschließung von 1.583 Haushalten mit Glasfaserkabeln ein Angebot ab, das auf die Allgemeinen Vertragsbedingungen für Bauleistungen VOB/B, Ausgabe 2012, und auf die Besonderen Vertragsbedingungen (BVB-VOB) der Beklagten Bezug nahm. Die Vertragsbedingungen sahen eine abnahmereife Fertigstellung bis zum 30.11.2017 vor. Die BVB-VOB enthielt in Ziffer 2 folgende Regelung zur Vertragsstrafe:

 

"2.1 Der Auftragnehmer hat bei Überschreitung […] der Frist für die Vollendung als Vertragsstrafe für jeden Werktag des Verzugs zu zahlen:

[...] 

0,2 v.H. der im Auftragsschreiben genannten Auftragssumme ohne Umsatzsteuer;

[…]

2.2 Die Vertragsstrafe wird auf insgesamt 5 v. H. der im Auftragsschreiben genannten Auftragssumme (ohne Umsatzsteuer) begrenzt."

 

Die Beklagte zahlte den Werklohn mit Ausnahme eines Betrages in Höhe von 284.013,78 €, den sie der Klägerin gegenüber als Vertragsstrafe geltend macht.

 

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Zahlung des restlichen Werklohns. Das Landgericht hat der Klage der Klägerin stattgegeben. Es ist unter anderem der Ansicht, dass die Vertragsklausel über die Vereinbarung der Vertragsstrafe gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam ist. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen. Es ist der Ansicht, die Höhe der Vertragsstrafe von maximal 5 % bei einem Einheitspreisvertrag stehe sicher fest und sei keine unangemessene Benachteiligung. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Revision.

 

Entscheidung

 

Mit Erfolg! Diese Vertragsklausel hält, anders als das Berufungsgericht meint, bei Verwendung durch den Auftraggeber einer Inhaltskontrolle nicht stand. Sie ist gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam, weil sie den Auftragnehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Es kann daher dahinstehen, ob die Vertragsstrafenregelung überhaupt in den Vertrag der Parteien einbezogen wurde und worauf die Verzögerung der Vollendung beruhte.

 

Nach Ziffer 2.1, 2.2 der BVB-VOB ist die Vertragsstrafe für die Überschreitung der Frist für die Vollendung, wie eine Auslegung dieser Bestimmungen ergibt, auf insgesamt 5 % der vor der Ausführung des Auftrags vereinbarten Netto-Auftragssumme begrenzt. Maßgebliche Bezugsgröße für die vorgenannte Grenze von 5 % des Vergütungsanspruchs des Auftragnehmers ist die Abrechnungssumme in ihrer objektiv richtigen Höhe. Das folgt aus der Orientierung des Grenzwerts an dem tatsächlichen "Verdienst" des Auftragnehmers, der typischerweise durch den Verlust von über 5 % der Vergütungssumme in vielen Fällen nicht nur seinen Gewinn verliert, sondern einen spürbaren Verlust erleidet.

 

Bei einem Einheitspreisvertrag kann die Anknüpfung der Vertragsstrafe an die vor Auftragsdurchführung vereinbarte (Netto-) Auftragssumme im Falle einer nachträglichen Absenkung des Auftragsvolumens dazu führen, dass die vom Auftragnehmer zu erbringende Strafzahlung die Grenze von 5 % seines Vergütungsanspruchs (u.U. sogar erheblich) übersteigt. Die damit verbundene Privilegierung des Auftraggebers wird innerhalb der Regelung nicht anderweitig, etwa durch einen dem gegenüberstehenden Vorteil für den Auftragnehmer, ausgeglichen. Die Klausel enthält insbesondere auch keine Vorkehrungen (beispielsweise durch einen Vorbehalt oder in anderer geeigneter Weise), durch die der Gefahr einer Überschreitung der für die Vertragsstrafe maßgeblichen Grenze angemessen Rechnung getragen wird.

 

Praxishinweis

 

Einheitspreisverträge in denen formularmäßig eine Vertragsstrafe an die (Netto-) Auftragssumme geknüpft sind, sollten, egal ob nur Vertragsmuster oder bereits bestehende Verträge, entsprechend angepasst werden. Ratsam ist es, die Höchstgrenze der Vertragsstrafe an die tatsächliche Vergütungs- bzw. Abrechnungssumme zu knüpfen oder eine Anpassungsklausel aufzunehmen, die eine Überschreitung der für die Vertragsstrafe maßgeblichen Grenze verhindert.

 

Wenn Sie bei der Vertragsgestaltung unsere Unterstützung benötigen, sprechen Sie uns an!


Maren Roos