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Bauhandwerksicherung: Bemessung des Anspruchs auf Bauhandwerkersicherung in den Fällen des § 650f Abs. 5 Satz 2 und 3 BGB

Nach § 650f Abs. 1 Satz 1 BGB kann der Unternehmer vom Besteller Sicherheit für die auch in Zusatzaufträgen vereinbarte und noch nicht gezahlte Vergütung einschließlich dazugehöriger Nebenforderungen, die mit 10 Prozent des zu sichernden Vergütungsanspruchs anzusetzen sind, verlangen. Hat der Unternehmer dem Besteller erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung der Sicherheit bestimmt, so kann der Unternehmer die Leistung verweigern oder den Vertrag kündigen, § 650f Abs. 5 Satz 1 BGB. Wie die Vergütung des Unternehmers im Streitfall nach der Kündigung zu ermitteln ist, hat der BGH bereits in seinem Urteil vom 17.08.2023 - VII ZR 228/22 eingehend dargelegt. In seinem Urteil vom 18.01.2024 – VII ZR 34/23 befasst sich der BGH nunmehr mit der Frage, ob und in welcher Höhe der Unternehmer nach der Kündigung die Bauhandwerksicherung geltend machen und gerichtlich durchsetzen kann.  

 

Sachverhalt

 

Die Parteien schlossen einen Generalübernehmervertrag für die schlüsselfertige Errichtung eines Gesundheitscampus mit Kindertagesstätte zu einem Pauschalfestpreis von 9.340.000 € brutto. Auf die erste Abschlagsrechnung über 520.000 € für Planungsleistungen und Projektentwicklung bezahlte die Beklagte einen Teilbetrag in Höhe von 270.000 €. Die Klägerin verlangt daraufhin unter Fristsetzung eine Bauhandwerkersicherung nach § 650f BGB in Höhe von 9.977.000 €. Nachdem diese nicht gestellt wurde, kündigte die Klägerin den Generalübernehmervertrag aus wichtigem Grund.

 

Das Landgericht hat der auf Stellung einer Bauhandwerkersicherung in Höhe von 498.850 € gerichteten Klage in Höhe von 216.700 € stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg gehabt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte weiterhin die Klageabweisung.

 

Entscheidungsgründe

 

Die Revision hat nur teilweise, nämlich insoweit Erfolg, als das Berufungsgericht die Beklagte gemäß § 650f Abs. 1 Satz 1 BGB zur Leistung einer den Betrag von 134.680,68 € übersteigenden Sicherheit verurteilt hat.

 

Die Klägerin hat dem Grunde nach einen Anspruch gemäß § 650f Abs. 1 Satz 1 BGB darauf, dass die Beklagte ihr eine Bauhandwerkersicherung für die vereinbarte und noch nicht gezahlte Vergütung einschließlich dazugehöriger Nebenforderungen stellt, deren Höhe sich als Rechtsfolge der durch die Klägerin wirksam erklärten außerordentlichen Kündigung nach § 650f Abs. 5 Satz 2 und 3 BGB bestimmt. Der Anspruch der Klägerin auf eine Bauhandwerkersicherung scheitert nicht daran, dass der Bauvertrag gekündigt ist. Eine auf § 650f Abs. 5 Satz 1 Fall 2 BGB gestützte Kündigung des Unternehmers beeinflusst den Anspruch auf Gestellung einer Sicherheit gemäß § 650f Abs. 1 BGB dem Grunde nach nicht, sondern nur dessen Höhe. Denn die vorzeitige Beendigung eines Bauvertrags lässt das Sicherungsbedürfnis des Unternehmers nicht entfallen, weil dessen Anspruch auf die vereinbarte und nicht gezahlte Vergütung weiterhin der Sicherheit bedarf (vgl. auch BGH, Urteil vom 06.03.2014 - VII ZR 349/12). Dies gilt auch für den Fall, dass der Unternehmer den Bauvertrag nach § 650f Abs. 5 BGB gekündigt hat, weil der Besteller seinem berechtigten (ersten) Verlangen nach einer Bauhandwerkersicherung nicht nachgekommen ist (vgl. auch BGH, Urteil vom 17.08.2023 - VII ZR 228/22).

 

Als Folge der wirksamen Kündigung der Klägerin bestimmt sich die Höhe des sicherbaren Anspruchs gemäß § 650f Abs. 5 Satz 2 und 3 BGB. Danach kann der Unternehmer die vereinbarte Vergütung verlangen, muss sich jedoch dasjenige anrechnen lassen, was er infolge der Aufhebung des Vertrages an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erspart oder böswillig zu erwerben unterlässt. Im Sicherungsprozess muss der Unternehmer die Höhe des zu sichernden Vergütungsanspruchs schlüssig darlegen (vgl. auch BGH, Urteil vom 17.08.2023 - VII ZR 228/22; Versäumnisurteil vom 20.10.2022 - VII ZR 154/21; Urteil vom 06.03.2014 - VII ZR 349/12). Zur Ermittlung der Höhe des Anspruchs nach § 650f Abs. 5 BGB bedarf es daher grundsätzlich der schlüssigen Darlegung der vereinbarten Vergütung, der Abgrenzung erbrachter Leistungen von den nicht erbrachten Leistungen sowie der Darlegung, welche Kosten der Unternehmer erspart hat und welchen anderweitigen Erwerb er sich anrechnen lassen muss. Haben die Parteien einen Pauschalpreisvertrag geschlossen, bestimmt sich die Höhe der Vergütung für die erbrachten Leistungen nach dem Verhältnis des Werts der erbrachten Teilleistungen zum Wert der vereinbarten Gesamtleistung. Der Unternehmer muss deshalb das Verhältnis der bewirkten Leistungen zur vereinbarten Gesamtleistung und des Preisansatzes für die Teilleistungen zum Pauschalpreis darlegen (vgl. auch BGH, Urteil vom 16.10.2014 - VII ZR 176/12; Urteil vom 04.05.2000 - VII ZR 53/99).

 

Die Klägerin begehrt vorliegend die Sicherung einer Vergütung gemäß § 650f Abs. 5 Satz 2 und 3 BGB in Höhe von insgesamt 5 % des vereinbarten Pauschalpreises. Bezogen auf die nicht erbrachten Leistungen stützt sie sich auf die gesetzlich vermutete Pauschale nach § 650f Abs. 5 Satz 3 BGB. Als Sicherheit für die erbrachten Leistungen verlangt sie nicht die Vergütung in voller Höhe, sondern macht auch diesbezüglich nur 5 % der vereinbarten Vergütung gestützt auf die Pauschalierung nach § 650f Abs. 5 Satz 3 BGB geltend. Das Vorbringen der Klägerin zur Berechnung ihrer Vergütung ist nicht deshalb unschlüssig, weil die Klägerin die von ihr bereits erbrachten Leistungen nicht von den noch ausstehenden Leistungen abgegrenzt und, wie für Pauschalpreisverträge notwendig, die entsprechende Vergütung dem erbrachten und nicht erbrachten Leistungsteil zugeordnet hat. Zwar bedarf es zur Ermittlung der kündigungsbedingt geschuldeten Vergütung aus einem Pauschalpreisvertrag grundsätzlich einer solchen Darlegung. Diese war jedoch entbehrlich, weil die Klägerin, in Kenntnis, dass sie keine solche Aufstellung erstellt hat, bezogen auf die erbrachten Leistungen nicht die darauf entfallende volle Vergütung, sondern lediglich einen fünfprozentigen Anteil geltend macht. Der Beklagten erwächst kein Nachteil, wenn die Klägerin mit ihrer Forderung hinter dem zurückbleibt, was sie als Vergütung für erbrachte Leistungen tatsächlich fordern könnte. Der Unternehmer kann sein Sicherungsverlangen auf einen Teilbetrag beschränken (vgl. auch BGH, Urteil vom 09.11.2000 - VII ZR 82/99). Die Klägerin macht als Teil des Sicherungsverlangens für erbrachte Leistungen lediglich die kündigungsbedingte Vergütung in der Höhe geltend, welche sie beanspruchen könnte, wenn sie keinerlei Leistungen erbracht hätte. Eine solche Vergütung steht ihr ausgehend von der Vermutungsregelung des § 650f Abs. 5 Satz 3 BGB in jedem Fall zu. Soweit dem Urteil vom 28. Juli 2011 - VII ZR 45/11 und dem Urteil vom 28. Juli 2011 - VII ZR 223/10 etwas anderes entnommen werden könnte, hält der VII. Zivilsenat hieran nicht fest.

 

Der Schlüssigkeit steht auch nicht entgegen, dass die Klägerin keine Angaben zu einem anderweitigen Erwerb im Sinne von § 650f Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 Fall 2 BGB gemacht hat. Zugunsten der Klägerin gilt die Vermutungsregel des § 650f Abs. 5 Satz 3 BGB, die gerade eine Vereinfachung für Unternehmer ermöglicht, die wie die Klägerin Schwierigkeiten haben, die kündigungsbedingt geschuldete Vergütung nach § 650f Abs. 5 Satz 2 BGB schlüssig darzustellen.

 

Das Vorbringen ist auch ohne Vorlage einer Schlussrechnung schlüssig. Die Angaben, die üblicherweise zur Abrechnung eines gekündigten Pauschalpreisvertrags in die Schlussrechnung einfließen, sind kein Selbstzweck, sondern dienen dem Informations- und Kontrollinteresse des Bestellers. Benötigt dieser keine weiteren Informationen, um die Forderungsberechnung nachzuvollziehen, kann die Vorlage einer Schlussrechnung entbehrlich sein (vgl. auch BGH, Urteil vom 12.01.2006 - VII ZR 2/04). Diese für die Geltendmachung der Vergütung entwickelten Überlegungen können auf die Bestimmung der Höhe des Sicherungsverlangens übertragen werden. Weiterer Angaben oder der Vorlage einer Schlussrechnung bedarf es nicht, wenn sich die Höhe des Sicherungsverlangens ohne weiteres aus dem Gesetz und der vertraglich vereinbarten Pauschalfestpreisvergütung ergibt. Dies ist der Fall, denn die Höhe der geforderten Sicherheit, die die Klägerin auf die Mindestvergütung beschränkt hat, die ihr zustehen würde, hätte sie keinerlei Leistungen erbracht, kann ohne Abgrenzung der erbrachten von den nicht erbrachten Leistungsteilen dem Gesetz entnommen und anhand des vereinbarten Pauschalbetrags ermittelt werden.

 

Das Berufungsgericht hat jedoch zu Unrecht unberücksichtigt gelassen, dass der Unternehmer auf den Teil der Vergütung, der für noch nicht erbrachte Leistungen geltend gemacht wird, keine Umsatzsteuer berechnen darf (vgl. auch BGH, Urteil vom 22.11.2007 - VII ZR 83/05; Urteil vom 06.03.2014 - VII ZR 349/12). Dies hat zur Folge, dass die Klägerin nur eine Sicherheit für die geschuldete Nettovergütung beanspruchen kann. Ausgehend hiervon berechnet sich die Höhe der zu leistenden Sicherheit nach der vertraglich vereinbarten Gesamtpauschalfestpreisvergütung von 9.340.000 € brutto, was einem Nettobetrag von 7.848.739,50 € entspricht. Der von der Klägerin verlangte Sicherungsbetrag bezogen auf fünf Prozent der vereinbarten Vergütung für die nicht erbrachten Leistungen und eines Anteils von fünf Prozent der vereinbarten Vergütung für die erbrachten Leistungen beläuft sich rechnerisch auf fünf Prozent der Nettovergütung und damit auf 392.436,98 €. Hiervon ist die geleistete Teilzahlung in Höhe von 270.000 € abzuziehen. Dem danach verbleibenden Restbetrag von 122.436,98 € sind zehn Prozent für Nebenforderungen hinzuzurechnen, so dass sich eine zu sichernde Vergütung in Höhe von 134.680,68 € ergibt.

 

Praxishinweis

 

Der BGH hat mit der vorliegenden Entscheidung weitere für die Handhabung der Bauhandwerkersicherung nach § 650f BGB relevante Fragen geklärt. Zusammen mit den zitierten weiteren Entscheidungen aus den letzten Jahren wird damit Klarheit für die Praxis geschaffen.


Dr. Ronald M. Roos